Gute Werbung wollen alle. Aber weil klassische Werbung immer seltener funktioniert, setzen immer mehr Unternehmen in der digitalen Zeit auf Content Marketing. Damit sind sie sehr erfolgreich, weil Content Marketing journalistisch ist. Aber es ist kein Journalismus.

Was machen eigentlich Journalisten? Ihren Lesern gut recherchierte und interessante Inhalte bieten, die für sie relevant sind. Und was bietet Content Marketing? Gut recherchierte und interessante Inhalte, die für den Leser relevant sind. Genau darin liegt auch das Erfolgsgeheimnis gegenüber klassischer Unterbrecherwerbung. Content Marketing erzeugt Glaubwürdigkeit durch inhaltsstarke Relevanz – und nicht durch mehr oder weniger gut gemachte Kaufanreize. Wird gute Werbung jetzt journalistisch? Und wenn ja, wie kam es dazu?

Unglaubwürdige Inhalte überzeugen nicht und erreichen niemanden

Es gibt einen Sketch aus der TV-Comedy „Ladykracher“. Darin brütet eine Handvoll kreativer Köpfe einer Werbeagentur in Deutschland über eine Kampagne für „Thüringer Mett“.

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Der Dreieinhalbminüter mit Anke Engelke ist gespickt mit gängigen Branchenklischees:

 

„Ich erwarte 110 Prozent kreativen Input.”

„Ein bisschen mehr Out-of-the-Box-Thinking.“

 

und das Video zeigt extrem überspitzt, aber auch sehr anschaulich, warum Werbekampagnen oft nicht funktionieren: Das Produkt wird überinszeniert. In einer nächtlichen Brainstorming-Orgie überbieten sich die Protagonisten an möglichst „fancy“ Ideen, die möglichst wenig mit dem Produkt zu tun haben. Die sind vielleicht witzig, aber unglaubwürdig – und in der echten Welt da draußen erreicht das die Zielgruppe nicht. Immer häufiger nicht.

Wer gute Werbung machen will, ist damit auf dem Holzweg. Dabei zeigt der Sketch bereits am Anfang einen erfolgversprechenden Weg – in diesem Kurzdialog zwischen zwei Kreativen, die eine Platte „Thüringer Mett“ auf dem Tisch betrachten:

 

„Das ist ja abgefahrenes Zeug. Wofür ist das?“

„Ich habe da mal einen Artikel drüber gelesen. Ich glaube, man kann das essen.”

 

Die Lösung ist ganz einfach: Jemand hat eine Frage zu einem Thema. Ein anderer hat eine überzeugende Antwort auf diese Frage. Wer macht denn so etwas? In der großen weiten Medienwelt war diese Aufgabe lange Zeit ein Fall (fast nur) für Journalisten. Die Disziplinen: Ratgeber- und Nutzwertjournalismus – in Abgrenzung etwa zum Informationsjournalismus.

Werbung nervt, genießt immer weniger Vertrauen – und wird ignoriert

Dann kam die digitale Zeit. Mit ihr kamen viele neue journalistische Anbieter auf den Markt, zugleich brach das Informationsmonopol der Journalisten auf. Gab es vorher viele Empfänger und ganz wenige Sender, konnte jetzt jeder alles sein. Immer. Und auf einmal hatten viele Unternehmen ein Problem: Es reichte immer seltener aus, die Werbebotschaften in Anzeigen, Spots und Bannern zu platzieren (oft inmitten von journalistischen Inhalten) – und/oder mit einer guten Pressemitteilung in den redaktionellen Teil zu kommen. Und Unterbrecherwerbung funktioniert immer weniger, schon gar nicht im Online Marketing, weil die Leute davon genervt sind oder die leider nicht ganz so zarten Konsumaufforderungen mit Adblockern einfach verbannen. Da helfen dann auch Big-Data-intensives Retargeting oder Programmatic Advertising nicht viel: Selbst gute Werbung, in der besten Kampagnen-Kreation aller Zeiten, verpufft wirkungslos.

Journalistische Inhalte stehen für Qualität

Spätestens seit dem Penguin-Update 2012 straft Google Websites gnadenlos ab, die eine Suchmaschinenoptimierung ausschließlich durch eine möglichst hohe Keyworddichte erreichen wollen. Auf einmal brauchte eine gute Website Qualitätsinhalte. Ups. Und welche Inhalte sind das, fragten sich die Unternehmen? Genau: journalistische Inhalte. Ziemlich oldschool eigentlich. Und spätestens jetzt fragt sich die Marketingabteilung: „Und wo bleiben wir?“ Hier: Denn die gut recherchierten und interessanten Inhalte, die für bestimmte Nutzer relevant sind – müssen auch zur Marke und zum Unternehmen passen.

Wenn es außerdem gelingt, diese eigenen Inhalte technisch optimal aufzubereiten und in den richtigen Kanälen zu verbreiten und zum Beispiel über Influencer zu verstärken, die Zielgruppen handlungsanregend zu erreichen und zu binden, dann ist das Content Marketing.

War die klassische Marketingbotschaft vor allem diese: ein permanentes „Kauf mich!“, sendet Content Marketing mit journalistischen Inhalten vor allem diese Botschaft: ein vielschichtiges „Glaub mir!“. Der Wirkstoff von Content Marketing ist Relevanz, nicht persuasive Kommunikation. Anders gesagt: Ein relevanter Inhalt ist die neue Anzeige oder das neue Banner.

Content Marketing ist Marketing, kein Journalismus

Content Marketing bedient sich der Stilmittel und Formen des Journalismus. Und auch die Arbeitsprozesse in einer Content-Marketing-Agentur ähneln eher denen einer Redaktion. Vielleicht, weil „beim Text“ und in der Konzeption vor allem Redakteure arbeiten und eher wenig Copywriter. Trotzdem ist Content Marketing kein Journalismus. Ja, Prozesse und Handwerkszeug sind fast identisch. Es geht darum, interessant zu sein, Distanz zu wahren und glaubwürdig zu sein. Und es gibt sehr viele Inhalte, bei denen selbst bei neutraler Analyse kaum ein Unterschied zwischen Journalismus und Marketing bemerkbar ist (abgesehen von Absender/Anbieter). Aber der Zweck von Journalismus ist ein anderer. Im Journalismus geht es – zumindest im Idealfall – darum, durch neutrale Berichterstattung Öffentlichkeit herzustellen und öffentliche Kommunikation zu ermöglichen. Das kann Content Marketing auch. Aber das ist nicht das Ziel. Auch werden die Inhalte nicht L’art pour l’art erstellt. Dahinter steckt eine klare Absicht: Es geht am Ende immer auch darum, eine Marke oder ein Produkt zu vermarkten. Das sollte klar sein.

Erfolgreiche Kundenkommunikation ist immer seltener Werbung

Ob der Content nun owned, earned oder paid ist: Mit journalistisch aufbereiteten – relevanten – Inhalten und der entsprechenden Plattform bringe ich Interessierte dazu, in die Welt meiner Marke einzutauchen. Werbung wird dadurch nicht journalistischer, sondern erfolgreiche Kundenkommunikation ist immer seltener Werbung.

Die Inhalte sind dann vielleicht kein „abgefahrenes Zeug“, aber sie verkaufen sich ganz gut.

Fazit: Gute Werbung, Content Marketing und Journalismus

Content-Marketing ist kein Journalismus, aber bedient sich journalistischer Methoden und Formen, um Relevanz zu erzeugen. Das macht Content-Marketing glaubwürdiger als klassische Werbung.