Wie Sie mit einem Augenzwinkern Ihre Marke unverwechselbar machen

Sie stecken zwischen Markenidentität und einer Identitätskrise fest? Klar, die Markenidentität ist einer der wichtigsten Bestandteile Ihrer Marke, aber was gehört überhaupt zu einer guten Markenidentität und wie entwickeln Sie eine? Jens Hurling erklärt im Interview, worauf Sie achten sollten!

Jens, was bedeutet Markenidentität überhaupt?

Die Markenidentität ist das Herzstück jeder erfolgreichen Marke. Sie setzt sich zusammen aus allem, was eine Marke sagt oder zeigt. Wie sie sich für Außenstehende anfühlt, ist dabei entscheidend: Ob konservativ, nachhaltig, ländlich, high end, fürsorglich, freigeistig, abstrakt („floatig“) oder rebellisch – in vielerlei Hinsicht ist es mit der Identität von Menschen vergleichbar: viele Nuancen werden ein Ganzes. Die Identität kann 

  • grundlegend offensiv, laut und extrovertiert (Sixt, MediaMarkt, IMG STAGELINE) 
  • oder defensiv, eher sanft und bedächtig (Deli Reform, Dove) sein.


Eine Marke spricht nicht nur mit Worten, sondern mit ihrem gesamten Erscheinungsbild. Hierbei spielt die Entstehungsgeschichte Ihrer Marke eine entscheidende Rolle. 

  • Warum existiert sie? 
  • Was haben Sie sich dabei gedacht?
  • Was macht oder repräsentiert nur Ihre und keine andere Marke?

Die Identität entsteht aus dem Existenzgrund einer Marke – diese Wurzeln bilden das Fundament für eine authentische und wirkungsvolle Markenidentität.

Das klingt ja ähnlich wie ein Markenimage. Wo liegt da der Unterschied?

Viele verwenden die Begriffe synonym. Letztendlich meinen beide Begriffe deswegen in vielen Diskussionen das Gleiche: das Herzstück der Marke. Dennoch sollten wir unterscheiden:

  • Markenidentität betrachtet das Herzstück der Marke etwas selbstbestimmter: „Unsere Marke gibt es, weil …“, „Unsere Marke steht für XY“ und so weiter.
  • Das Markenimage ist im Vergleich dazu eher fremdbestimmt und wirklich ein Bild (deswegen „Image“), das in den Köpfen der Zielgruppe entsteht. Das können wir nur bedingt beeinflussen: über Worte, Online-Auftritte, Positionierungen auf dem Markt.

Was davon letztendlich bei unseren Kund*innen hängen bleibt, ob es authentisch wirkt oder doch ein Schnuff zu viel ist, lässt sich vorher nicht genau sagen. 

Wie hängt das mit Markenwerten, Markenkultur und Markenpersönlichkeit zusammen?

Vorweg: Diese Begriffe sind schwer objektiv zu trennen und wirken manchmal wie das klassische „Marketing-Blabla“. Wir nutzen sie daher kaum und sprechen immer nur von der Markenidentität, die wir gemeinsam steuern und kommunizieren. Aber für viele Expert*innen besteht die Marke aus weiteren Unterpunkten: den Markenwerten, der Markenkultur oder auch der Markenpersönlichkeit. Wir können diese Unterpunkte auch als Säulen der Markenidentität verstehen.

  • Markenwerte: Jedes Unternehmen sollte spezifische Werte haben, nach denen es handelt – das sind die Markenwerte: Sicherheit, Stabilität, Pioniergeist, Augenmaß. Sie helfen dabei, sich von anderen Marken abzuheben, geben einen Handlungsrahmen, bilden Vertrauen und fließen in die Markenkultur ein.
  • Markenkultur: Markenkultur ist praktisch ein Sammelbegriff für die gelebten, in die Praxis übertragenen Werte, Überzeugungen, Verhaltensweisen und Normen eines Unternehmens. Sie bilden eine Grundlage für die Identität und die Positionierung der Marke auf dem Markt, aber auch nach innen.
  • Markenpersönlichkeit: Marken sollten so unpersönlich wie möglich sein. Eine Markenpersönlichkeit umfasst vermenschlichte Züge einer Marke wie Charakter, Verhalten oder das Wesen. Diese menschliche Dimension erleichtert es den Kund*innen, eine emotionale Verbindung zu einer Marke aufzubauen.

Warum ist Markenidentität auch für die Außenwelt wichtig?

Ohne eine Identität gibt es keine Marke. Dann würden wir in der breiten Masse an Angeboten untergehen. Ein gutes Gegenbeispiel sind Eigenmarken wie „Gut & Günstig“ oder „ja!“ – sie haben keine eigene Identität und sind deshalb streng genommen Nicht-Marken.

Gerade online wollen Tausende Personen, Marken, Werbepartner und Co. die heiß begehrte Aufmerksamkeit der User*innen haben. In dieser Masse können sich die User*innen gar nicht orientieren und selektieren deswegen – diese Selektion müssen wir steuern. Was nicht innerhalb von 0,1 Sekunden hängen bleibt, verschwindet aus ihren Köpfen. Deswegen brauchen wir ein Alleinstellungsmerkmal.

Die Identität als Alleinstellungsmerkmal macht uns unvergleichlich und dadurch auch besonders

Der Extremfall: Es gibt keine Marken wie Apple, wie Patagonia oder wie Rolex. Jede Marke muss für sich alleine stehen. Menschen können Smartphones, Jacken oder Uhren kaufen, aber der Kauf dieser spezifischen Marken ist eine bewusste Entscheidung. Eine starke und klare Markenidentität ist der Angelhaken, der neue Kund*innen an Land zieht – und dort auch hält. 

Ihre Kund*innen müssen Ihre Beweggründe verstehen, sie müssen Sie kennenlernen. Ihre Marke muss einen so starken Eindruck hinterlassen, dass sie Ihren potenziellen Kund*innen direkt im Kopf bleibt. Deswegen ist es so wichtig, die Markenidentität auch nach außen zu kommunizieren. 

Kommunizieren ist eine Sache – aber wie baue ich eine klare und starke Markenidentität auf?

Da gibt es leider keinen 12-Punkte-Plan oder ein einfaches „Einmaleins der Markenidentität“. Das Gute: Die Markenidentität steckt sowieso in einer Marke – meist lediglich ungehoben und verschüttet. Aber generell gibt’s Marke und Identität nur im untrennbaren Doppelpack.

Reflektieren Sie die Entstehung Ihrer Marke: 

  • Warum wurde die Marke geschaffen?
  • Was ist der Purpose, der fundamentale Existenzgrund der Marke?
  • Was sollen Menschen über die Marke denken und sagen?

Die Antworten dazu gibt es – Sie müssen sie nur an die Oberfläche holen. Danach kommunizieren Sie Ihre Markenidentität der Außenwelt: sei es über Ihre Website, Social Media oder Printmedien – Sie müssen Menschen auffallen und Menschen müssen Sie wiedererkennen!

Der Content und Ihre Personas entscheiden dabei über das Format und den Kanal. Nur wenn Sie Ihre Zielgruppe kennen, können Sie sie auch erreichen.

Jens Hurling, Teamleitung Redaktion und strategische Beratung

Gibt es unterschiedliche Typen von Markenidentitäten?

Jein, es gibt verschiedene Archetypen, aber keine in Stein gemeißelten „Markenschubladen“. Wenn ich mit Menschen spreche, fühlen sie sich oft eher zwei der folgenden Typen zugehörig und nicht nur einem. Eine gängige Einteilung nach Archetypen hat Steve Rawling aufgestellt: 

  1. The Explorer 
    1. Ihr Wert: Neue Erfahrungen
    2. Sie sagen: „Raus aus der Komfortzone!“
    3. Sie geben: einen Leitplan oder Kompass 
  2. The Rebel 
    1. Ihr Wert: radikale Veränderung
    2. Sie sagen: „Brecht die Regeln und schwimmt gegen den Strom!“
    3. Sie geben: Werkzeug
  3. The Sage 
    1. Ihr Wert: Wissen und Weisheit
    2. Sie sagen: „Bildet euch aus und lernt dazu!“
    3. Sie geben: Bücher oder eine Art Kristallkugel

4. The Defender
         1. Ihr Wert: Sicherheit und Geborgenheit

         2. Sie sagen: „Beschützt, was euch lieb ist!“

         3. Sie geben: eine Rüstung und ein Schloss

5. The Muse
         1. Ihr Wert: Kreativität und Fantasie

         2. Sie sagen: „Sei wie du bist und lebe dich voll aus!“

         3. Sie geben: Pinsel und Farbe

6. The Warrior
         1. Ihr Wert: Gerechtigkeit

         2. Sie sagen: „Steht für das ein, was richtig ist!“

         3. Sie geben: Waffen und Taktiken 

Das klingt nach einem stabilen Konstrukt. Wird die Markenidentität auch von ihrer Zielgruppe beeinflusst?

Nicht direkt – sie ist ja schon von Grund auf an der Zielgruppe orientiert. Die Markenidentität ist allerdings ein stabiles Konstrukt, das sich höchstens mit der Zeit anpassen kann – oder es gibt ein Rebranding. Es ist wichtig, dass eine Marke auf das Feedback ihrer Zielgruppe reagiert und dazu Stellung bezieht. Eine Marke sollte aber nicht all ihre Werte entlang ihrer Zielgruppe verändern, weil das nicht vertrauenswürdig ist. Verändert sich die Zielgruppe allerdings mit der Zeit, sollte auch die Marke mit der Zeit gehen, ohne die eigene Identität aufzugeben. 

Auf der anderen Seite bestimmt die Markenidentität auch die Zielgruppe. Hier gibt es also eine Art wechselseitige Beziehung.
 

Wie umfangreich werden Marken von Trends und Strömen beeinflusst?

Das ist eher zweitrangig. In der Regel macht es keinen Sinn, an einem Trend über „Icks in der Gastronomiebranche“ als Unternehmen teilzunehmen, das mit Bühnentechnik zu tun hat. Natürlich sind Trends auf Social Media super, um Reichweite zu generieren. Der Trend muss aber sowohl zum Unternehmen als auch zu Ihrer Markenidentität und der laufenden Kampagne passen. 

Welche Brands haben deiner Meinung nach eine gute Markenidentität?

Da gibt es einige aus ganz unterschiedlichen Branchen:

  • IMG STAGELINE: Die Marke ist Buddy und Mentor der kleinen Musiker*innen und Bands. Sie existiert, weil sie daran glaubt, dass vor allem die kleinen Bands und Clubs günstig Zugang zu haltbarem Bühnen- und Audio-Equipment haben sollten.
  • Patagonia: zeigt klare Kante und setzt sich beinahe radikal für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen ein – bis hin zu scheinbar umsatz-senkenden Kampagnen wie „Don’t buy this jacket!“. Ihre Markenidentität ist ihr größter Schatz.
  • Hornbach: Der Baumarkt vermarktet sich als die Anlaufstelle für „Mach’s-selber-Menschen“. Gerade DIY und Empowerment sind sehr beliebte Themen. Hornbach als Marke existiert, damit andere ihre Projekte bestmöglich selbst umsetzen können.
  • Salesforce: hat sich eine große Vertrauensbasis erarbeitet und vermittelt komplizierte Themen fast spielerisch. Auch Salesforce „empowert“, etwa durch die Trailblazer-Kampagne.

Letztendlich haben alle die klare Kante gemein.

Okay, welche klassischen Fehler sollten Menschen vermeiden, wenn sie ihre Markenidentität manifestieren?

Das ist klar: Dass Menschen die Markenidentität unterschätzen. Eine eindeutige Positionierung wirkt erst mal erschreckend, ist aber von Vorteil: Klare Kante bedeutet oft auch Stärke und bildet so ein Vertrauen zwischen der Marke und Ihren Kund*innen. Menschen mögen Menschen mit Charakter. Bei Marken ist das nicht anders. Eher im Gegenteil: Ihre Positionierung gibt den Menschen eine Richtung und zieht so mehr Kund*innen an.

Eine zu starke Kundenorientierung wirkt zudem oft schwammig und schwach. Sie sind keine Fahne im Wind, die mal dieses und mal jenes Ziel verfolgt. Behalten Sie Ihre Linie bei und ernten Sie Ihre Lorbeeren.

Ein Fehler wäre es also, wenn Sie nicht über Ihre Markenidentität nachdächten.

Welche Missverständnisse kommen bei der Erstellung der Markenidentität auf?

Markenidentität ist nicht nur Marketing: Die Markenidentität ist das ganze Unternehmen. Marketing-Menschen müssen mit Menschen in der Produktion, dem Vertrieb und Controlling reden, um so die Marke besser kennenzulernen. Nur so können sie die Marke verstehen und eine klare Markenidentität herausarbeiten.

Fazit: Darum brauchen Sie eine klare Markenidentität

Eine gute Markenidentität ist die Basis, der Schlüssel, das Herzstück Ihrer Marke. Also superwichtig und echt elementar. Die Markenidentität legt den Grundstein für Ihre Customer Journey und gibt Ihrer Marke die notwendige „digitale Haptik“, damit Menschen Sie besser greifen und einsortieren können. Auch wenn eine Positionierung auf dem Markt über eine eindeutige Markenidentität abschreckend wirken kann, ist sie als Kundenmagnet unabdingbar. Fragen Sie sich einfach „Was ist unser Purpose?“, und denken Sie über Ihre Entstehungsgründe nach. So kommen Sie Schritt für Schritt zu Ihrer eigenen Markenidentität.

Lernen Sie uns kennen!

ein gelbes Buchcover mit schwarzer Schrift