Zwischen relatable Content und Pick Me Brands

Wie sich Marken in Social Media präsentieren und dabei ordentlich ins Klo greifen

Ein Mädchen, dass sich die Hände gegen die Ohren presst und schreit.

Die Perspektive der Gen Z im Content Marketing. Eine Kolumne von Laura Moltzahn.

Thomas Gottschalk verabschiedet sich von „Wetten, dass..?“. Und seine letzte Sendung sorgt in vielerlei Hinsicht für Diskussionen im Netz. Neben Privatpersonen mischen auch Brands fleißig in den Kommentarspalten mit und tun ihre Meinung kund. Denn je authentischer der Auftritt auf Social Media, desto besser das Marketing … Oder wie ist das noch?

Das Internet ist für uns alle Neuland

Heutzutage hat nahezu jede Marke eine Online-Präsenz. Zumindest eine mehr oder weniger gepflegte Website sollte vorhanden sein, wenn der Anschluss an die digitale Zeit noch nicht komplett verloren ist. In der Hoffnung, auch die junge Zielgruppe zu erreichen, gehen die ganz Mutigen aber noch einen Schritt weiter und wagen sich in die sozialen Medien. Besonders beliebt: Reels, Shorts oder TikToks – je nach bevorzugter Plattform.

Ein regelmäßig bespielter Account kann ein genauso gutes Marketingtool sein wie herkömmliche Werbeanzeigen. Oder noch viel, viel besser.

Hauptsache viral? 

Virale Inhalte erreichen über die eigene Zielgruppe hinweg Tausende Menschen und bleiben in Erinnerung. Dafür gibt es kein Geheimrezept. Aber das Partizipieren an Trends ist schon mal ein guter Anfang. Perfektioniertes Lip Syncing, besonders einfallsreiche oder auch besonders einfallslose Tänze, Filter oder Audios – Trends sind nie gleichbleibend. Spontan fallen mir Marken-Accounts wie RyanAir, Duolingo oder Hugendubel Buchhandlungen als Best-Practice-Beispiele ein, die sich für keine Hampelei vor der Kamera zu schade sind.

Endlich – habe ich gedacht – endlich verstehen die älteren Generationen, wie Werbung geht. Wie sie bei uns ankommt. Wie sie uns überzeugt. Dafür muss der Content bloß auch gut sein. Aber was heißt jetzt gut?

Gut bedeutet heutzutage in erster Linie: relatable. Je mehr Menschen sich mit dem Content identifizieren können oder bestimmte Themen und Probleme aus ihrem Alltag kennen, desto besser. 

Wichtig ist, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und über sich selbst lachen zu können. Das wirkt auf mich sofort sympathisch. Die oben erwähnten Brands punkten vor allem durch Content, der auch von den Menschen produziert wird, für die er bestimmt ist – die Gen Z. Indem sich auch Mitarbeiter:innen vor die Kamera stellen, ist die Marke keine unnahbare, höhere Macht mehr. Nein, zu ihr gehören Menschen wie du und ich. Menschen, die über dieselben dämlichen Witze lachen können und dieselben Erfahrungen teilen. 

Hast du vergessen, dich auszuloggen?

Authentizität steht also an oberster Stelle. Andernfalls kauft dir niemand deinen Content oder deine Produkte ab. Was viele Chefetagen nicht verstehen (wollen): Meistens sind es gar keine hochqualitativ produzierten Inhalte. Es sind wackelige Handyvideos, die die Leute irgendwie faszinieren.

Mit der Authentizität kann man es aber auch übertreiben – vor allem, wenn sie auf Teufel komm raus erzwungen wird:

Aktuell sorgt Thomas Gottschalks letzte „Wetten, dass..?“-Sendung für Aufmerksamkeit in den sozialen Medien. Auch Brands tummeln sich in den Kommentarspalten von Privatpersonen und geben ihren Senf dazu. Zuletzt ist mir ein Video auf die For You Page gespült worden, das eine Zuschauerin im besagten Fernsehstudio zeigt. Versehentlich setzt sie sich an ihrem Sitz vorbei direkt auf den Boden. Marken wie NicNac’s oder AIDA drücken ihr Mitgefühl aus:

Warum sorgen sich ein Erdnuss-Snack oder ein Kreuzfahrtschiff um das Wohlbefinden dieser Zuschauerin? Was hat der Vorfall mit ihrer Marke oder Mission zu tun? Richtig – rein gar nichts. 

Kommentare sind super, um auch außerhalb des eigenen Kanals auf sich aufmerksam zu machen – don’t get me wrong. Aber vor allem dann, wenn es inhaltlich passt und dabei auf die eigene Marke Bezug genommen wird. Ein Paradebeispiel hierfür sind Brands wie ProSieben oder Deutsche Bahn, die die Dienstleistungen oder den Content des anderen immer wieder gerne niedermachen.

Aber zu kommentieren, nur um zu kommentieren – dahinter erkenne ich keinen großen Nutzen für die Marke. Stattdessen erzeugen solche Aktionen eher den Vibe, als hätte es die verantwortliche Person nach der Arbeit verschludert, sich aus dem Firmen-Account auszuloggen.

Pick me, love me, choose me

Emotionen sind auch immer gut. Wer kann schon einer rührenden Story widerstehen? Ich jedenfalls nicht. Kein Wunder, dass „Am I the Asshole?“-Posts so gut auf TikTok funktionieren. Meistens wecken sie Empörung oder Entsetzen. Scheinbar lässt sich Emotionalität aber auch unintelligent einsetzen. Immer öfter werden mir Reels wie die von Brekki vorgeschlagen, die ihren Communitys auf der Mitleidsschiene begegnen. A là „Unsere Preise sind zu hoch für unsere Produkte? Wenn wir so etwas hören, macht uns das immer etwas traurig.“ Diese Aussage hinterlässt bei mir einen ganz komischen Beigeschmack. Die Marke macht sich bewusst klein und bettelt um Bestätigung von außen. Klassisches Pick-me-Verhalten, das statt Mitleid leider eher Fremdscham bewirkt.

Wenn ihr mich fragen würdet …

Wie man sich darstellt, will also überdacht sein. Aber eben auch nicht zu sehr. Letztendlich läuft das Ganze auf eine so alte Floskel hinaus, dass es mir fast peinlich ist, sie hier auszuschreiben. Ich mach’s trotzdem: Seid einfach ihr selbst. Mit einem guten Gefühl für Trends und mindestens einem Hauch Strategie. Das funktioniert am besten.

Lernen Sie uns kennen!

ein gelbes Buchcover mit schwarzer Schrift