Das Internet ist heute in gleicher Weise kommerzialisiert wie die analoge Welt. Alle großen Organisationen und Unternehmen sind hier präsent. Sie fragen sich, wie Kunden im Netz auf sie aufmerksam werden. Content Marketing ist für viele ein Weg zu mehr Sichtbarkeit. Von klassischen Werbeagenturen wird es jedoch oft in Frage gestellt. Brauchen wir also mehr Werbung im Internet – oder ist Content Marketing doch ein sinnvoller Weg?
Thomas Strerath, Chef der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt startete im vergangenen Jahr eine Diskussion über das Thema Content Marketing. Er zweifelt die Wirksamkeit von Content Marketing grundsätzlich an und spricht von der „Content-Lüge“. Immer mehr Inhalte von mittelmäßiger Qualität würden erstellt, die um die Aufmerksamkeit der User konkurrieren. Durch das zwangsläufig sinkende Interesse müssten Inhalte nun wieder mit Werbekampagnen über Google Adwords und Facebook beworben werden, um überhaupt wahrgenommen zu werden.
Tim Berners-Lee wird nicht vermutet haben, dass es einmal Diskussionen darüber geben würde, welche Rolle Werbung im von ihm entwickelten World Wide Web spielen könnte. Das Internet, wir erinnern uns, war ursprünglich als Netzwerk zum Austausch zwischen Wissenschaftlern gedacht. Doch nachdem wir alle es für uns entdeckt hatten, ließ auch die Kommerzialisierung nicht lange auf sich warten – Werbung und die Frage nach ihrer Wirksamkeit eingeschlossen.
Eintritt ins WWW durch Suchmaschinen
Es gibt allerdings sehr gute Gründe, warum Unternehmen verstärkt gezielt Inhalte für das Internet erstellen und damit auf sich aufmerksam machen. Das Netz ist nur mit Hilfe digitaler Endgeräte erreichbar. Die meisten Besucher kommen über Suchmaschinen zum jeweiligen Ort ihres Interesses. Weil das so ist, lassen Google, Bing und Yahoo ununterbrochen ihre Crawler über sämtliche Internetpräsenzen laufen, um alle Sites aufs Wort genau kennen zu lernen und zu indexieren. So können sie anschließend auf jede Suchanfrage augenblicklich passende Inhalte liefern. User finden unmittelbar Antworten auf ihre Fragen.
Die Mechanik des Internets wird schon im ersten Satz der allerersten Website deutlich, die Tim Berners Lee verfasste: „The WorldWideWeb (W3) is a wide-area hypermedia information retrieval initiative aiming to give universal access to a large universe of documents.“
Das World Wide Web ist zum Auffinden von Information konzipiert.
Nutzer suchen nun mit Google & Co. aktiv nach Inhalten und kommen von sich aus auf die Websites der Anbieter. Für das Marketing ist das der vielzitierte Wechsel vom Push- zum Pull-Marketing. Viele Websitebetreiber machen seither die Erfahrung, dass ihre Website ein Inbound-Marketing ermöglicht.
Relevanter Content wird mit Aufmerksamkeit belohnt
Ob ein bestimmter Inhalt tatsächlich auch die Aufmerksamkeit von Nutzern auf sich zieht, hängt davon ab, ob er relevant ist. Entsprechend haben Websitebetreiber in den letzten Jahren nach Wegen gesucht, gezielt Inhalte zu erstellen, die Nutzer als relevant empfinden. Genau das ist Content Marketing – Kommunikation mit Inhalten, die nützlich oder unterhaltsam sind. Wer sich für bestimmte Inhalte nicht interessiert, der bekommt sie gar nicht erst zu Gesicht. Doch sie bleiben jederzeit auffindbar, sobald jemand Interesse daran hat. Damit passt Content perfekt zur Mechanik des Internets. Und hat mit Werbung erst einmal gar nichts zu tun.
Strerath hält Content jedoch für überbewertet. Das Content-Angebot eilt der Nachfrage davon, urteilt der Werbeprofi. Wirklich? Das Gegenteil scheint der Fall zu sein:
Dass Inhalte gesucht werden, kann Google zu nahezu jedem einzelnen Wort aller Sprachen der Erde eindrucksvoll beweisen. Monatlich kommen 25 Prozent völlig neue Suchanfragen hinzu.
Internetnutzer geben weitaus mehr Suchanfragen auf, als es Antworten in Form von Content gibt. Strerath mag Recht haben, dass die Qualität der Inhalte weiter verbessert werden könnte. Aber das Prinzip bleibt gültig und welcher Content relevant ist, dürfen User für sich entscheiden.
Content Marketing wirkt auch in sozialen Netzwerken
Mit Content erreichen Unternehmen auch Internetnutzer, die sich hauptsächlich in Sozialen Netzwerken aufhalten. Die Inhalte können hier veröffentlicht oder verlinkt und geteilt werden. Auf diese Weise wird die Reichweite organisch vergrößert. Nutzer, die weitergehendes Interesse haben, finden dann den Weg zur Website des Anbieters. Es werden nicht Inhalte beworben, für die Nutzer ansonsten kein Interesse aufbringen, wie Strerath meint. Vielmehr wird derselbe Inhalt in ganz unterschiedlicher Umgebung ausgespielt: Google verweist auf ihn in seinen Suchergebnissen, auf Facebook oder Twitter kann er geteilt – und per E-Mail versandt werden.
Was ist mit der Erfolgsmessung von Werbung?
Daher sind Content-Marketing-Agenturen eher entspannt. Ob und welche Werbung es im Internet geben könnte, darüber kann man ebenso streiten wie über TV-Werbeblöcke oder Plakatwände. Werbung kann Produkte erklären, kann das Markenimage positiv beeinflussen – und tut es oftmals nicht. Sie wird auch als nervig, unattraktiv, schief, laut, beliebig, anstößig oder missverständlich empfunden. Ihr Erfolg ist oft unvorhersehbar und schwierig zu messen. Was User über Werbung im Internet denken, kann man an der steigenden Zahl von Nutzern ablesen, die auf ihrem Rechner einen Ad-Blocker installiert haben. Viele Nutzer sind überdies „bannerblind“, das heißt sie nehmen die Werbebanner nicht bewusst wahr und sprechen nicht auf die Werbung an, die für sie ausgespielt wird – und sei sie noch so personalisiert. Nehmen wir als Gegenbeispiel suchmaschinenoptimierten Content: Den können wir anhand von SEO-KPIs messen.
Content jedoch steht nicht zur Debatte, schon gar nicht im Internet, denn das World Wide Web ist für das Auffinden von Inhalten erfunden worden.
Werbung kann im Netz stattfinden – muss aber nicht. Zu Content gibt es hingegen keine Alternative, denn genau dafür ist das Internet gemacht.